Es riecht nach dem Metall der Torbeschläge in der Sonne. Das Zurückziehen des Riegels rumpelt, die Tür öffnet sich mit einem Quietschen – wie seit vielen Jahrzehnten.
Ich trete über die Steinschwelle. Der Garten liegt in der Abendsonne, die alte Ziegelmauer wärmt die Hecken, die übervoll sind mit Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren.
Das Frühbeet steht offen und leer und wartet auf das nächste Jahr. Es wird die nächste Generation von Pflanzen vor Frost und dem eisigen Hauch beschützen, wenn der scheidende Winter sich noch einige Male aufbäumt…
Hummeln und allerlei Insekten brummeln und zirpen und fliegen durch das hohe Gras. Ihr Tisch ist reichlich gedeckt. Schmetterlinge gaukeln trunken vom Nektar der vielen bunten Blüten. Der Herbst in seiner verschwenderischen Fülle gibt allen Geschöpfen von Mutter Erde genug – über-genug.
Und doch: Zwischen den honigsüßen Duft der letzten Malven, Wicken und Phlox-Blüten mischt sich bereits der nasse, würzige Geruch von gefallenen Blättern…
Einige Beete sind schon abgeerntet, und die Samen des Wintergemüses ruhen in ihnen. Unsichtbares Leben im Verborgenen. Immer wieder ein Mysterium.
Die anderen Beete sind voller Wunder der Natur: Bohnenstauden, Kohlköpfe, Kräuter und Salatblätter in allen Grüntönen. Ganz zu schweigen vom Gold und Silber der Kartoffeln und Topinambur-Knollen, die – wie Schätze in der Erde – darauf warten, ausgegraben zu werden.
Vom alten Brunnen in der Mitte des Gartens strömt eine erfrischende Kühle aus. Wie viele Generationen mag sein klares Wasser genährt haben?
Die alte Bank liegt schon im Schatten. Und wenn man genau hinhört, erzählt sie die Geschichten vieler schöner Stunden. Sie erzählt von Menschen, die gekommen sind, lachend ihre ersten Schritte machten, groß wurden, hart gearbeitet haben, um dem Garten seine Schätze abzuringen, schließlich gebeugt, zufrieden und ruhig sich auf ihr – der alten Bank – die Herbstsonne des Lebensabends ins Gesicht scheinen ließen, bevor sie wieder eingingen in den ewigen Kreislauf des Sterbens und Wiedergeboren-Werdens.

Gebet
Herr,
ich danke Dir für meinen Platz an Deiner reich gedeckten Tafel.
Ich danke Dir, dass ich teilhaben darf an der verschwenderischen Fülle, mit der Du uns beschenkst.
Möge ich immer voller Kraft und Lebenslust sein, wie die reifen Früchte an Deinen Bäumen.
Deine Schätze, die Du so großzügig mit uns teilst, sind das wahre Gold, der Brunnen des Lebens.
Möge er niemals versiegen!
So sei es!
Wie sieht Dein Seelengarten aus?
Nimm Dir 5 Minuten Zeit, schließe die Augen und stelle Dir Deinen Seelengarten vor.
Danach beschreibe oder male ihn.
© Text und Bild, Annette Scholz, 2024